Eine Gesichte:
Dass ich ein Spenderkind bin,
habe ich vor vier Jahren erfahren
als ich selbst schwanger war.
Da hat meine Mutter mich in ein Café eingeladen
und mich gebeten, ihr zu versprechen,
dass ich ihr nicht böse sein würde,
wenn sie mir gleich was erzählen würde.
Tja, und dann ließ sie die Bombe platzen:
dass mein Vater zeugungsunfähig sei
und sie deswegen diesen Weg gegangen seien.
Weil sie sich so sehr ein Kind gewünscht hätten.
Und dass sie nie gewusst hätte,
wann der richtige Moment sei, um es mir zu sagen.
Im ersten Moment stand ich komplett neben mir.
Ich fühlte mich hilflos und allein.
Plötzlich war nichts mehr wahr von dem,
worauf mein ganzes Leben aufgebaut war.
Ich wusste nicht einmal mehr, wer ich bin.
Zitternd und weinend erzählte ich es am Abend meinem Mann.
Er tröstete mich und sagte, er fände es wunderbar,
dass ich so bin, wie ich bin.
Aber mir war nicht zu helfen.
Ich dachte an diesen Spender, meinen biologischen Vater,
und fragte mich: Wie lebt er, wie sieht er aus, was macht er?
Dann versuchte ich,
etwas über meinen biologischen Vater herauszufinden.
Aber ich wurde in einer Klinik gezeugt,
die es heute nicht mehr gibt.
Sie ist wie vom Erdboden verschluckt.
Und die Spendernummer meines Spenders
hat meine Mutter weggeworfen.
Es ist also so gut wie ausgeschlossen,
dass ich meinen biologischen Vater jemals finden werde.
In den folgenden Jahren war ich dauernd krank.
Eine Grippe nach der anderen, ich bekam die Mandeln raus,
dauernd rasende Kopfschmerzen, Nasennebenhöhlenentzündungen,
Nahrungsergänzung, CT vom Kopf, ich konnte kaum noch aufstehen.
Das Kind war dauernd bei der Schwiegermutter,
und keiner fand die Ursache für meine Krankheiten.
Man schob es auf die Nachwirkungen der Schwangerschaft.
Aber in Wirklichkeit lag es daran,
dass mein Urvertrauen in alles und jeden komplett weg war.
Wenn ich heute alte Fotos anschaue, die Familie an Ostern,
an Weihnachten unterm Baum, dann denke ich,
in was für einer Scheinwelt ich gelebt habe.
Ich habe 26 Jahre lang an eine Lüge geglaubt.
Etwa 100 000 Spenderkindern in Deutschland geht es genau so!
Nun hat es ein neues Urteil gegeben, nachdem eine Mutter
geklagt hat, die ihr Kind durch eine Samenspende bekommen hat!
Die Richter im westfälischen Hamm werteten
das im Grundgesetz festgelegte Recht auf freie Entfaltung
der Persönlichkeit höher als das Recht eines Spenders auf Anonymität.
Das Urteil:
Eine Samenbank muss einem anonym gezeugten Kind
den Namen des leiblichen Vaters nennen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Eine Revision ist laut OLG nicht zugelassen.
Was haltet ihr davon? Und ist es fair, den Männern,
die unter Anonymität gespendet haben, nun auf einmal
dieses Recht auf eben diese Anonymität zu nehmen?
Im Nachhinein?
Ich meine, wenn sie vorher drauf aufmerksam gemacht werden,
dass evtl. ihr Name später dem Kind genannt würde,
wäre es doch für beide Seiten fair. Aber so?
Kann das nicht auch Konsequenzen haben für die Familien
dieser Spender? Und ist es überhaupt immer so gut,
zu wissen, wer die Samen für das eigene Leben gespendet hat?
Ist es richtig, dass eine Recht für das Andere zu brechen?
Und wie findet ihr dieses Urteil generell?