Xyania
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Weit war sie bereits gekommen, so schätzte sie zumindest, Hinter Bergen und nicht mehr sichtbar für ihre Augen lag die Stadt weit entfernt. Um sie herum hoch gewachsenes Gras, Bäume und Sträucher. Kurz hielt sie inne, der stechende Schmerz holte sie ein. Xyania blickte gen Himmel, sah die die tiefe Dunkelheit der Nacht über sich hinein brechen, die sie bereits verschlang und genoss diesen Moment. Dann zog sie weiter ins Tal hinein. Dort, so wusste sie, lag ein idyllisches Bauerndorf, ein idealer Platz zum jagen.
Auf ihrem Weg war sie keiner armen Menschenseele begegnet, es dürstete ihr Nach Tod und Verderben, die Lust brachte sie fast um den Verstand. Und sie wurde immer schlimmer je mehr die Nacht von ihr Besitz ergriff. Schon immer, nicht nur wegen ihrer Natur, hatte diese Dunkelheit eine Faszination in ihr ausgelöst, eine tödliche Mischung wenn sie auf ihre dunkle Leidenschaft traf. Ihre Augen flackerten gerade so, es machte keinen Sinn sie jetzt verstecken zu wollen. Ihrem Wesen die Führung überlassend erreichte sie den kleinen Ort.
Fast schon entsetzt musste sie feststellen, dass es nicht mehr bewohnt war. Die Felder waren mit Unkraut und Büschen übersät, die schäbigen Hütten heruntergekommen. Dennoch, in der Luft lag ein liebreizender Duft. Der Tod hatte das Bauernvolk heimgesucht. Von Neugierde und diesem Duft gefesselt schlich sie um die Häuser herum, im Schatten lauernd auf das was da kommen sollte, doch es kam nichts. Enttäuscht trat sie die marode Tür einer der Hütten ein, aus der ihr sogleich erneut dieser Gestank entgegen sprang.
'War wohl schon einer hier...', dachte sie gelangweilt und durchsuchte die einzelnen Räume, im oberen Stockwerk wurde sie fündig. Die verweste Leiche einer Frau, die einst wohl ihr Kind im Arm gehalten hatte, lag madenübersät in einer Ecke, der größte Teil von ihr jedenfalls. Tiere schienen sich bereits über sie hergemacht zu haben, einen abgetrennten Arm hatte Xyania bereits auf der Treppe liegen sehen. Da sie in dem Raum nichts von Interesse fand ging sie wieder hinunter.
Nahrung fand sie nicht, aber damit hatte sie auch nicht gerechnet, zu lang schon hatte der Geruch der Verwesung diesen Ort heimgesucht. Lediglich ein verrostetes Schwert lag blutverkrustet am Boden, doch selbst dafür hatte sie keine Verwendung.
'Pure Zeitverschwendung!', ärgerte sie sich und wollte gerade zur Pforte hinausgehen, als sie Wiehern eines Gauls vernahm. Ihr zuvor noch gelangweilter Ausdruck verfeinerte sich zu einem Lächeln. 'Oder vielleicht doch nicht?'
Ein Blick aus dem Eingang hinaus verriet ihr die Ankunft einer düsteren Gestalt, im Licht des Mondes blitze eine Klinge auf.
"Endlich...", flüsterte sie und legte ihr Katar an.
Der Reiter ritt langsam durch den Ort, als suche er etwas bestimmtes, und kam damit Xyania in ihrem Versteck immer näher. Von ihrer Lust erneut gepackt schlich sie erneut ein Stockwerk höher und beobachtete ihn gespannt aus dem kaputten Fenster. Sanft glitt sie aus dem Fenster und harrte im Schatten des Hauses auf ihre Chance. Als diese gekommen war, stürzte sie sich mit gezielter Waffe auf den ahnungslosen Reiter, verfehlte ihn jedoch knapp und streifte lediglich seinen Rücken. Vor Schmerzen aufschreiend fiel er zusammen mit ihr vom Pferd, das laut aufbockte und dann in der Nacht verschwand. Keuchend lag er am Boden, rappelte sich doch schnell auf als er Xyania hinter sich erblickte, die bereits wieder mit beiden Beinen fest auf der Erde stand und erhobenen Schwertes auf ihn zukam.
"Was willst du von mir?", fuhr er sie an und griff panisch nach seinem Schwert. Als er es nicht an seinem Gürtel fand, blickte er sich erschreckt und und sah es einige Meter weiter am Boden liegen. Xyania folgte seinem Blick kurz, hob es auf und warf es ihm zu.
"Wenn du glaubst dich damit sicherer zu fühlen, Narr!", lachte sie lauthals auf, wobei ihre Kapuze von der Stirn rutschte und ihrem Gegenüber ihre Gestalt verriet. Erneut spürte sie diesen entsetzten Blick auf ihr, wie schon bei Alawvahr einst und der bis dahin schlummernde Zorn erwachte.
"Ihr schäbigen Menschen!", fauchte sie ihn an. Noch bevor er zu seinem Schwert greifen konnte, schnellte sie auf ihn los. Mit einem harten Griff schleuderte sie ihn gegen eine Hauswand, drückte gegen seine Kehle und legte ihr Katar an. Sie vergaß alles um sich herum.
Ihres Sieges sicher grinste sie ihn an, wurde jedoch eines besseren belehrt. Er trat ihre Beine weg und sie stolperte zurück, schon krallten sie seine Hände und zerrten sie herum, schleuderten sie gegen einen verfaulten Zaun, der unter dem Schwung zusammenbrach. Ein abgebrochener Pflock bohrte sich in die frische Wunde und ließ ihren Körper vor Zorn und Schmerz beben, stach in ihre Gedanken und ließ sie fast ohnmächtig werden. Der Reiter, wohl in der Hoffnung sie würde nicht mehr unter den Lebenden weilen, rannte hinfort so schnell ihn seine gequälten Knochen trugen.
Xyania japste nach Luft, während der stechende Schmerz jeden ihrer Atemzüge als unwürdig empfand und sie jedes Mal aufs neueste zu bestrafen schien. Sie genoss ihn, so lebendig hatte sie sich seit Jahren nicht mehr gefühlt, ihr Körper zitterte, Schweiß zierte ihren dunklen Körper.
Dann, ein letztes Mal atmete sie ein, dann erhob sie sich mit einem erschreckenden Schrei, zog ihren Körper aus diesem Pflock und schnappte nach Luft. Schnell blickte sie an sich hinunter, entdeckte das frische Blut und das nackte Fleisch. Der Pflock hatte sie nicht so schwer getroffen wie vermutet, aber die Wunde erneut aufgerissen. Fluchend ließ sie sich auf einem Stein nieder.
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