Xyania
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Sie waren kaum voran gekommen, da merkte Xyania schon, dass es Alawvahr wirklich nicht leicht fiel, mit ihr Schritt zu halten.
'Ich muss langsamer machen', ermahnte sie sich, 'es könnte sonst auffallen.'
Einen Augenblick blieb sie stehen und sah sich nach ihm um. Er kam keuchend auf sie zu.
"Was jagst du denn so durch den Wald?", beschwerte er sich jetzt und lächelte leicht. "Wir sind doch nicht auf der Flucht!"
"Doch, das sind wir.", antwortete Xyania. "Aber du hast Recht, ein wenig können wir unser Tempo schon zügeln. Ich bin es bisher nur gewohnt alleine zu reisen, und dass ihr Menschen nicht so schnell seid im dichten Wald, hatte ich vergessen."
Im gemächlichem Schritt wanderten sie weiter, bis sie schließlich einen kleinen verwachsenden Waldweg fanden. Dieser war ursprünglich ein Handelsweg nach Crysanthea gewesen, doch durch die zunehmenden Überfälle der im Wald lebenden Diebe und Zigeuner wurde er kaum noch benutzt und war mittlerweile verkümmert. Hier könnten sie in Ruhe weitergehen, die Wachen würden diesen Weg nicht nehmen, wenn sie überhaupt noch nach ihnen suchten.
Kurz schweiften Xyanias Gedanken ab und sie erinnerte sich an die Vorfälle auf dem Marktplatz. War es eine gute Entscheidung gewesen, nicht nach den beiden jungen Frauen zu suchen? Sie hatten Mumm in den Knochen, soviel stand für sie fest. Sie wären sicherlich ebenfalls gute Verbündete, aber jetzt umzukehren und nach ihnen zu suchen schien ihr zu gefährlich. Sie schüttelte den Gedanken ab und hoffte nur, sie in einer der anderen Städte wieder zu treffen.
Da sie jetzt wesentlich langsamer gingen, hielt ihr Begleiter auch gut Schritt und erholte sich langsam. Als er seinen Atem wiedergefunden hatte, holte er schließlich zu ihr auf und sie liefen nebeneinander.
"Wieso läufst du immer so schnell?", fragte er sie und blickte sie neugierig an.
"Der Wald ist meine zweite Heimat. Wenn du in ihm leben willst, musst du dich ihm anpassen. Das lernt man mit der Zeit.", antwortete sie, ohne genau auf seine Frage einzugehen.
"Aber so schnell und leise?"
"Es liegt einfach in meiner Natur, was stört dich daran?", wurde sie mürrisch.
"Äh...nichts, es... wunderte mich nur.", antwortete Alawvahr verlegen.
Nach einer langen Pause fragte er sie erneut. Xyania war dies ein wenig unangenehm, sie wollte ihm nicht zuviel von sich preisgeben, musste es aber wohl, um keinen Verdacht zu erregen.
"Wieso reisen wir eigentlich Nachts?", wollte er jetzt von ihr wissen.
"Weil sich selbst die edlen Ritter von Crysanthea nichts des Nachts auf unbekannte Waldwege trauen."
"Und warum wir dann?"
"Ich reise immer in der Nacht. Die Nacht ist zwar dunkel und für manche Augen unheimlich, aber wer darüber hinweg sehen kann, entdeckt ihre Schönheit und Anmut, und ihre Kraft, die einen beschützt.", antwortete sie geistesabwesend und blickte gen Himmel, den sie leider durch das Blätterdach nicht erkennen konnte. "Zumal es wirklich noch nicht spät ist. Wenn die Nacht hereinbricht, dann wirst du deine Hand vor Augen nicht mehr sehen..."
"Aber du?", fragte er zweifelnd. "Du kannst bestimmt nachts sehen mit deinen..."
"Besser als du kann ich sehen, Alawvahr.", sagte sie mit eindringlicher Stimme, die ein wenig gereizt klang.
'Wie ich es befürchtet hatte, er vermutet bestimmt, dass ich kein Mensch bin und will es jetzt aus mir heraus kitzeln...', überlegte Xyania und runzelte die Stirn. 'Sage ich es von mir aus, wird er es als vertrauensvolle Geste aufnehmen, oder...?'
"Ich mag es nicht, ständig ausgefragt zu werden. Erzähl mir lieber etwas von dir!", forderte sie ihn auf und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung.
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