


Da kann ich nur zustimmen xD
Zitat
Besonders Effi Briest ist da das schlimmste.


Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Nyuu« (4. Dezember 2010, 12:46)


Zitat
Sibylle Berg (geb. 1962): Nacht
Sie waren mit Tausenden aus unterschiedlichen Türen in den Abend geschoben. Es war eng auf
den Straßen, zu viele Menschen müde und sich zu dicht, der Himmel war rosa. Die Menschen
würden den Himmel ignorieren, den Abend und würden nach Hause gehen. Säßen dann auf der
Couch, würden Gurken essen und mit einem kleinen Schmerz den Himmel ansehen, der vom
Rosa ins Hellblaue wechseln würde, dann lila, bevor er unterginge. Eine Nacht wie geschaffen,
alles hinter sich zu lassen, aber wofür? Sie funktionierten in dem, was ihnen Halt schien, die
Menschen in der Stadt, und Halt kennt keine Pausen, Regeln, keine stille Zeit, in der Unbekanntes
Raum hätte zu verunsichern mit dummen Fragen.
Das Mädchen und der Junge gingen nicht nach Hause. Sie waren jung, da hat man manchmal
noch Mut. Etwas ganz Verrücktes müsste man heute tun, dachten beide unabhängig voneinander,
doch das ist kein Wunder, denn bei so vielen Menschen auf der Welt kann es leicht vorkommen,
dass sich Gedanken gleichen. Sie gingen auf einen Berg, der die Stadt beschützte. Dort stand ein
hoher Aussichtsturm, bis zu den Alpen konnte man schauen und konnte ihnen Namen geben, den
Alpen. Die hörten dann darauf, wenn man sie rief. Die beiden kannten sich nicht, wollten auch
niemanden kennen in dieser Nacht, stiegen die 400 Stufen zum Aussichtsturm hinauf. Saßen an
entgegengesetzten Enden, mürrisch zuerst, dass da noch einer war. So sind die Menschen,
Revierverletzung nennt man das. Doch dann vergaßen sie die Anwesenheit und dachten in die
Nacht. Vom Fliegen, vom Weggehen und Niemals-Zurückkommen handelten die Gedanken, und
ohne dass es ihnen bewusst gewesen wäre, saßen sie bald nebeneinander und sagten die Gedan-
ken laut.
Die Gedanken ähnelten sich, was nicht verwundert, bei so vielen Menschen auf der Welt, und
doch ist es wie Schicksal, einen zu treffen, der spricht, was du gerade sagen möchtest. Und die
Worte wurden weich, in der Nacht, klare Sätze wichen dem süßen Brei, den Verliebte aus ihren
Mündern lassen, um sich darauf zum Schlafen zu legen. Sie hielten sich an der Hand, die ganze
Nacht, und wussten nicht, was schöner war. Die Geräusche, die der Wind machte, die Tiere, die
sangen, oder der Geruch des anderen. Dabei ist es so einfach, sagte der Junge, man muss nur ab
und zu mal nicht nach Hause gehen, sondern in den Wald. Und das Mädchen sagte, wir werden
es wieder vergessen, das ist das Schlimme. Alles vergisst man, das einem gut tut, und dann steigt
man wieder in die Straßenbahn, morgens, geht ins Büro, nach Hause, fragt sich, wo das Leben
bleibt.
Und sie saßen immer noch, als der Morgen kam, als die Stadt zu atmen begann. Tausende
aus ihren Häusern, die Autos geschäftig geputzt, und die beiden erkannten, dass es das Ende von
ihnen wäre, hinunterzugehen ins Leben. Ich wollte, es gäbe nur noch uns, sagte der Junge. Das
Mädchen nickte, sie dachte kurz: So soll das sein, und im gleichen Moment verschwand die
Welt. Nur noch ein Aussichtsturm, ein Wald, ein paar Berge blieben auf einem kleinen Stern.
Forensoftware: Burning Board® 3.1.8, entwickelt von WoltLab® GmbH